Hyperthermie und die Temperaturfrage

Ohne Zweifel geht es bei der Hyperthermie als ein Therapieverfahren darum, eine Temperaturerhöhung im Körper des Patienten zu erreichen. Aber dann hört der Konsens der Kliniker schon fast auf. Und in der Tat, der im Jahr 2005 an den gemeinsames Bundesausschuss gestellten Antrag, die Hyperthermie in Deutschland als Kassenleistung vergütet zu bekommen, scheiterte nicht mit der Begründung, dass die Hyperthermie nicht wirkungsvoll sei, sondern daran, dass -Zitat: „..noch kein medizinisch-wissenschaftlicher Konsens hinsichtlich der Bewertung der Therapie-Ergebnisse und der notwendigen Standardisierung (z.B. Temperatur, Einwirkdauer, Thermometrie, begleitende Therapieprotokolle) erreicht werden konnte.“

Nun sind 15 Jahre vergangen. Was hat sich seither getan?

Eine wichtige Entwicklung betrifft die gewünschte Temperatur. Etwas pauschaliert ausgedrückt, galt früher: je höher die erreichte Temperatur, desto besser. Dies wird heute jedoch viel differenzierter gesehen. Das beginnt vor allem mit der Frage, was die Hyperthermie in einem konkreten Fall bewirken soll. Soll sie die Strahlentherapie wirkungsvoller machen? Soll sie die Wirkung bestimmter Chemotherapien verbessern? Wird sie eingesetzt um primär das Immunsystem eines Patienten zu stärken? Unterschiedliche Anwendungsgebiete gebieten unterschiedliche Temperaturbereiche.

Temperaturziele
Ganz hohe Temperaturen (>44 Grad C) scheinen problematisch, denn über einen längeren Zeitraum können sie dazu führen, dass Zellen, die solchen Temperaturen ausgesetzt sind, absterben können. Für eine Tumorzelle mag dies ja gewünscht sein, für Nervenzellen oder lebenswichtige Funktionsgebiete in Organen mag dies aber dysfunktional sein. Abgesehen davon, ist es auch technisch überaus anspruchsvoll gezielt und geplant solche Temperaturen in der Tiefe eines Körperorganismus, der zudem noch durch eine kontinuierliche Blutzirkulation gekühlt wird, zu erreichen.

Die höchsten gewünschten Temperaturen von 41-43 Grad Celsius gelten für eine Anwendung in Kombination mit der Strahlentherapie. Eine solche hohe Temperatur im regionalen Zielgebiet eines Tumors werden als vorteilhaft erachtet.

Um Chemotherapien wirkungsvoller zu gestalten, scheint eine Temperatur im Bereich eines natürlichen Fiebers (von 390C bis 410C, maximal 420C) am besten zu sein. Damit findet ein wirkungsvoller lymphatischer Verkehr statt, also eine gute Anschwemmung der Zytostatika ins Tumorgewebe sowie ein durch die höhere Temperatur beschleunigter Metabolismus (die Verarbeitung in einer Zelle).

Bei der Immuntherapie gibt es noch kaum Studien, die zu einer entsprechenden Evaluierung herangezogen werden können. Von Spezialanwendungen abgesehen bewegt sich der Zielkorridor hier ebenfalls eher im moderaten Bereich zwischen 390C und 410C.

Temperatur-Messung
Die zweite entscheidende Frage lautet dann: wie stellt man sicher, dass man eine gewünschte Temperatur auch erreichen kann ?
Hierfür gibt es verschiedene technologische Verfahren. Bei der Ganzkörper-Hyperthermie hat sich ein wassergekühltes InfraRot-A-Licht als am besten geeignet erwiesen (eine Sauna führt übrigens nicht zum gewünschten Ergebnis). Und hier kann die Körperkerntemperatur, die ja den ganzen Körper erfassen soll, sehr leicht bspw. im Darm gemessen werden.
Bei der lokalen Tiefenhyperthermie, der Erwärmung einer Region in der Tiefe des Körpers, arbeiten derzeit fast alle Anbieter mit elektromagnetischer Energie, die in den Körper eingebracht wird, entweder über Antennen rund um den Körper oder als kapazitatives Verfahren, bei dem sich der Patient zwischen zwei Elektroden befindet, deren Polarität sehr schnell wechselt. Jedoch, die Frage bleibt: wie stellt man sicher, dass man die gewünschte Temperatur auch erreichen kann ?

Eigentlich ganz simpel: Durch das Messen der Temperatur im Zielgebiet. Aber wie macht man das, wenn das Zielgebiet, wie die meisten Tumoren, im Inneren des Körpers liegt?
Gute Möglichkeiten gibt es für den Fall, dass der Tumor in einer natürlichen Körperöffnung liegt. Beispielsweise bei ovarialen Tumoren der Frau durch die Scheide erreicht werden kann oder beim Rektumskarzinom durch den Anus; auch die Prostata kann erreicht werden entweder durch die Harnröhre oder näherungshalber auch rektal. Aber auch hier liegen Tücken, denn je nachdem, wo der Sensor an der Spitze eines optischen Glasfaserkabels liegt, mag man auch nur die Luft im Darm messen, die sich relativ unbeeindruckt zeigt von Erwärmung mittels elektromagnetischer Felder. Allerdings für die Mehrzahl der im Körper liegenden Tumore, wird es viel problematischer. Man müsste unter Bildkontrolle (Ultraschall oder Röntgen-Durchleuchtung) mit einer Hohlnadel in den Tumor stechen und dann eine Temperatursode einführen. Selbst dann bleibt noch die unbefriedigende Tatsache, dass man nur an einer einzigen Punktstelle die Temperatur messen kann. Was, wenn diese Stelle genau neben einem Blutgefäß zum Liegen kommt? Dann wird sich kein nennenswerter Temperatur¬gradient zeigen, denn ein grösseres Gefäß wirkt wie ein Kühlsystem auf seine ganz nahe unmittelbare Umgebung. Also, um zu einer valideren Beurteilung zu gelangen müsste es eigentlich mehrere Messtellen im Tumor-Zielgebiet geben.

Es gibt aber auch noch eine andere, ganz elegante Lösung. Mit einem MRT kann man spektroskopisch oder auch mit einem anderen Verfahren die Temperaturunterschiede messen und sie darstellen. Das hat gleich zwei Vorteile: Zum einen muss nichts in den Körper eingebracht werden (und ein MRT hat im Gegensatz zum CT auch keine Strahlenbelastung) und zum anderen erreicht man nicht nur eine Punktmessung wie bei einem Temperatursensor, sondern gleich ganze Schnittbilder, bei denen man die Temperaturverteilung in der Fläche erkennen kann. Leider gibt es einen entscheidenden Nachteil: ein solcher MRT muss angepasst werden und kann dann nicht mehr für die normale Bildgebung verwendet werden; ergo mit mehreren hunderttausend Euro ist er schlicht zu teuer für einen normalen Einsatz. Und so gibt es diese Art der Temperaturmessung auch nur an sehr wenigen Unikliniken in Deutschland.
Als Zwischenresumée lässt sich festhalten: das mit der Temperaturmessung ist gar nicht so einfach, denn wer will sich schon regelmäßig mit einer Hohlkanüle in den Tumor stechen lassen ? Und last but not least, ergibt sich mit jedem invasiven Eingriff auch die potentielle Gefahr einer Tumorzellverschleppung.

Andere Massnahmen der Qualitätssicherung
Es ist verständlich, dass nach alternativen Formen gesucht wird, die eine direkte Messung der Temperatur ggfs. kompensieren oder ersetzen können.
Mancherorts wird dies durch eine Temperatursimulations-Software versucht, welche die meist ohnehin vorhandenen CT-Scans als Ausgangspunkt heranzieht. Darauf können die verschiedenen Gewebearten wie Muskel, innere Organe, Knochen oder Lumen gut differenziert werden und da man die Temperaturkoeffizienten dieser Gewebearten kennt, kann man mit Simulationen berechnen wieviel Energie für eine gewünschte Temperatur in den Körper einzubringen wäre und vor allem wie diese zu steuern wäre. Allerdings hat auch diese Methode ein entscheidendes Handicap, nämlich die kühlende Blutperfusion. Gerade im Tumorgewebe ist die Durchblutung hochgradig irregulär und innert einer Stunde kann sich diese um das bis zu dreifache verdoppeln oder reduzieren mit entscheidenden Auswirkungen auf die Temperatur. Auch eine zu hohe Temperatur kann problematisch sein, wenn sog. Hot Spots an wichtigen physiologischen Orten auftreten sollten.

Eine pragmatische Form einer alternativen Qualitätssicherung zur Erreichung der Temperatur ist die Verwendung von standardisierten Therapie-Leistungsprotokollen. Wenn solche Leistungsprotokolle differenziert nach verschiedenen Tumorentitäten für ein Gerät existieren und solche Leistungsprotokolle genau evaluiert wurden mit Phantommessungen und(!) Temperatur-Messungen bei Patienten, die dem freiwillig zugestimmt haben, dann ergeben sich Anhaltspunkte, bei welchen Leistungen welche Temperaturen in welchen Körperregionen erreicht werden. Es bleibt die Un-genauigkeit, dass in einer einzelnen Sitzung die gewünschte Temperatur ev. auch nicht erreicht wurde- wenn bspw. die kühlende Blutperfusion sehr hoch war- aber im Mittel einer Anwendungsserie, gibt es zumindest valide Anhaltspunkte. Abweichungen ergeben sich ferner, wenn ein einzelner Patient bspw. sehr fettleibig ist. Dann sind auch Abweichungen vom Protokoll erforderlich, denn Fettschichten absorbieren grosse Mengen an Energie.

Was bedeutet das nun für die Anwendung und den Patienten?
Die Leistungsprotokolle, denen ein höheres Temperaturziel zugrundeliegt, sind anspruchsvoll! Speziell im letzten Drittel einer Behandlung braucht es dafür eine Fachkraft, die am Bett mit dem Patienten eine Behandlung optimieren kann. Bspw. muss Körperschweiss, der ganz natürlich entsteht, immer wider trocken gewischt werden, da der salzhaltige Schweiss für die elektromagnetische Energie wie ein Vergrösserungsglas wirken kann und dann schmerzhafte Stich-Sensationen erzeigen kann. Es gibt eine Vielzahl von Kleinigkeiten zu beachten, um eine wirklich anspruchs¬volle Behandlung für einen Patienten angenehm erträglich zu halten. Wer hier Kompromisse macht und einfach die Leistungseinbringung herunterregelt, nutzt ganz einfach das Potential dieser Anwendung nicht richtig aus. Auch sollte sich eine Behandlung – ev. von Kopf-Hals Tumoren abgesehen – über ca. eine Stunde erstrecken.
Viele klinische Studien haben der Hyperthermie ein hervorragendes Potential bezeugt, Behandlungen effektiver zu machen und signifikant längere Überlebenszeiten zu erreichen. Auch ist das Verhältnis von Wirkung zu unerwünschten Nebenwirkungen bei einer richtig angewendeten Hyperthermie hervorragend, aber, es muss eben auch richtig angewendet werden.

Literatur
Für noch an vertiefender Erörterung interessierte Leser, sei auf folgende Literatur verwiesen:

Qualitätsrichtlinien der ESHO für Oberflächenhyperthermie
Dobšíček Trefná H, Crezee J, Schmidt M, et al. Quality assurance guidelines for superficial hyperthermia clinical trials : II. Technical requirements for heating devices. Leitlinien zur Qualitätssicherung der lokalen Hyperthermie in klinischen Studien : II. Technische Anforderungen an Heizgeräte. Strahlenther Onkol. 2017;193(5):351-366. doi:10.1007/s00066-017-1106-0

Serien von in-vivo Temperaturmessungen im lebenden Schwein zur Validierung eines Standardprotokolls für die Leberbehandlung beim Celsius42-Gerät
Noh JM, Kim HY, Park HC, et al. In vivo verification of regional hyperthermia in the liver. Radiat Oncol J. 2014;32(4):256-261. doi:10.3857/roj.2014.32.4.256

Artikel über MRT-Temperaturmessung in der Hyperthermie
Lüdemann L, Wlodarczyk W, Nadobny J, Weihrauch M, Gellermann J, Wust P. Non-invasive magnetic resonance thermography during regional hyperthermia. Int J Hyperthermia. 2010;26(3):273-282. doi:10.3109/02656731003596242

Artikel über prae-klinische Temperaturversuche mit einer kapazitativen Hyperthermie (Celsius42-Gerät)
H. Sahinbas, M. Rosch & M. Demiray (2017) Temperature measurements in a capacitive system of deep loco-regional hyperthermia, Electromagnetic Biology and Medicine, 36:3, 248-258, DOI: 10.1080/15368378.2017.1307221

Untersuchung über Art und Umfang der Sauerstoff-Anreicherung durch regionale Hyperthermie
Cho CH, Sreenivasa G, Plotkin M, Pietsch H, Wust P, Lüdemann L. Tumour perfusion assessment during regional hyperthermia treatment: comparison of temperature probe measurement with H(2)(15)O-PET perfusion. Int J Hyperthermia. 2010;26(4):404-411. doi:10.3109/02656731003605662

Zwei allg. Reviews zum Potential der Hyperthermie in der klinischen Tumortherapie
Datta NR, Ordóñez SG, Gaipl US, et al. Local hyperthermia combined with radiotherapy and-/or chemotherapy: recent advances and promises for the future. Cancer Treat Rev. 2015;41(9):742-753. doi:10.1016/j.ctrv.2015.05.009
Datta NR, Kok HP, Crezee H, Gaipl US, Bodis S. Integrating Loco-Regional Hyperthermia Into the Current Oncology Practice: SWOT and TOWS Analyses. Front Oncol. 2020;10:819. Published 2020 Jun 12. doi:10.3389/fonc.2020.00819

Martin Rösch

Con il suo know-how, Martin Rösch è collegato al Celsius42 già dalla sua costituzione. Formalmente indipendente come collaboratore freelance, si è occupato per molti anni delle domande dell’applicazione clinica. Insieme con i clienti, e in particolare con il Dr. Hüseyin Sahinbas, ha eseguito tentativi preclinici in merito alla temperatura ed ha contribuito allo sviluppo di profili di resa. Ha partecipato attivamente alla definizione di studi clinici e nel corso dei tanti anni di lavoro ha raccolto esperienze visitando clienti e confrontandosi con utilizzatori di sistemi per ipertermia nostri e di altre marche. Martin Rösch è stato uno dei relatori invitati a congressi oncologici sull’ipertermia in più di una decina di paesi ed ha pubblicato testi sull’argomento in riviste specializzate con revisione paritaria.

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